Dr. Volker Quaschning, Prof. für Erneuerbare Energien in Berlin, gab Antworten auf die Frage, was sich für einen erfolgreichen Klimaschutz ändern muss.
Wer den mitreißenden Vortrag von Professor Volker Quaschning in der vollbesetzten Kreuzkirche gehört hat, kam anschließend nicht umhin, sich diese Frage zu stellen. Immerhin seien wir, wie auch Barak Obama betont, nicht nur die erste Generation, welche die Klimastörung zu spüren bekommt, sondern auch die letzte Generation, die seine Stärke auf ein erträgliches Maß begrenzen kann. Bevor Volker Quaschning in die (energetische) Zukunft blickte, nahm er die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine Reise in das Berlin, wie es während der letzten Eiszeit aussah. Das Brandenburger Tor hätte damals auf dickem Gletschereis errichtet werden müssen. Dass von diesem Eis heute nichts mehr übrig geblieben ist, beruht allein auf der Tatsache, dass sich die Erde nach der bisher letzten Eiszeit um etwa dreieinhalb Grad erwärmt hat. Seit einigen tausend Jahren sei das Klima ausgewöhnlich stabil geblieben, so dass sich auf dem ehemaligen Gletschergrund ertragreiche Böden und eine leistungsfähige Landwirtschaft entwickeln konnten. Diese Stabilität des Klimas ist nicht nur die Grundlage für die Entstehung der Großstadt Berlin, sondern auch für unsere hochentwickelte Zivilisation.

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Der geringe Unterschied von nur dreieinhalb Grad Celsius machte den Zuhörern deutlich was es bedeutet, dass sich die Erde nun innerhalb von nur 150 Jahren um mehr als ein Grad zusätzlich erwärmt hat. Dass weitere zwei Grad Erwärmung die Welt drastisch verändern würden, begreife sogar ein achtjähriges Kind. Schon heute verschwinden die Gebirgsgletscher, die unsere Flüsse speisen. „Unsere Erde hat Fieber!“, sagte Quaschning. Derart schnelle Klimaänderungen gab es selten und veränderten das Leben auf der Erde enorm. Während der Eiszeit war der Meeresspiegel so niedrig, dass man trockenen Fußes von Berlin nach London gehen konnte. „Sollte das Grönlandeis abschmelzen, würde der Meeresspiegel weltweit um 7 Meter ansteigen und ein Drittel der Menschheit lebt in Küstennähe. Die Lebenserwartung unserer Kinder geht bis zu einem Zeitpunkt, an dem der Meeresspiegel schon um 2 Meter ansteigt.“ Wie also würden unsere Enkel entscheiden, wenn sie schon heute mitbestimmen könnten?
Das Leben in einer so veränderten Welt werde ein ganz anderes sein. Mit drastischen Szenarien wie diesen zeichnete Prof. Dr. Quaschning ein düsteres Bild von der Zukunft, die uns erwartet, wenn wir jetzt nicht handeln. Keine der anderen aktuellen Herausforderungen auf unserem Planeten sei mit der Herausforderung der Klimastörung vergleichbar: „Extreme Wetterereignisse fordern schon heute viele tausend Tote. Vor Klimaveränderungen flüchten doppelt so viele Menschen wie vor Kriegen. Wie hoch müssten die Mauern sein, die wir bauen, um Menschen aufzuhalten, die vor dem Verhungern fliehen?“
Die Aufgabe des Klimaschutzes könne gemeistert werden, wenn wir das Nötige tun. Doch dazu brauche es in Deutschland einen rapiden Ausbau der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2040. Nur so könne das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens, den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen, erreicht werden. Allerdings müssten die politischen und gesellschaftlichen Weichen dafür viel besser gestellt werden. China mache vor, was technisch möglich sei, wenn der unbedingte politische Wille vorhanden ist – im Jahr 2016 baute das Land so viel Fotovoltaikkapazität wie Deutschland in den gesamten letzten 30 Jahren zusammen.
Die Erfolgsmeldungen der deutschen Bundesregierung in Sachen Klimaschutz entlarvte Dr. Quaschning dagegen als Mogelpackung, denn die als Klimafrevler verrufenen US-Amerikaner hätten tatsächlich eine größere prozentuale Verringerung beim Kohlendioxidausstoß erreicht als Deutschland im gleichen Zeitraum.
Die Skepsis des Publikums, das auf Nachfrage bezweifelte, dass ein ausreichend schneller Umbau in dem gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Klima überhaupt möglich sei, teilte Professor Quaschning nicht. Die Menschheit habe große Anstrengungen unternommen auf dem Mond zu landen, wieso sollte sie dies dann nicht auch tun, um die Zukunft unserer Kinder und Enkel zu ermöglichen?
Wie wir dieses Ziel erreichen können, erläuterte Quaschning anhand von verschiedenen Szenarien, die Wind-, Bio- und Solarenergie im Bereich Wohnen und Mobilität intelligent und effizient einsetzen. Dies bringe auch beachtliche wirtschaftliche Chancen mit sich. Denn wieso sollten wir Geld in den umweltschädlichen Abbau von Erdöl und Erdgas in Ländern investieren, die unter diesen Umweltverwüstungen zu leiden haben, wenn wir es vor unserer Haustür gewinnbringend und nachhaltig anlegen und so die regionale Wirtschaft stärken können? Warum sollten wir nicht zugleich unabhängig von unberechenbaren Energiepreisschwankungen auf dem Weltmarkt werden wollen?
An den inspirierenden Vortrag schloss sich eine, von Thomas Kleiser, Klimaschutzmanager der Stadt Nürtingen moderierte Podiumsdiskussion mit zwei Kuratoriumsmitgliedern der Stiftung ÖKOWATT Nürtingen und Prof. Dr. Quaschning an. Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart und Otmar Braune vom BUND Nürtingen waren sich mit Professor Quaschning einig: Wenn man die Risiken des Klimawandels auf der einen Seite und die Chancen der Energiewende auf der anderen Seite betrachte, sei es schlicht unvernünftig, jetzt nicht zu handeln. Dafür bräuchten wir in Deutschland einen Abbau von Hemmnissen und Erleichterungen bei der bürokratischen Abwicklung von Klimaschutzmaßnahmen. Regelungen und Förderprogramme müssten übersichtlicher, verständlicher, klarer und einheitlicher werden. Die Abgabe von Kohlendioxid in die Erdatmosphäre, die unermessliche Schäden zur Folge habe, müsse endlich einen angemessen Preis bekommen. Durch eine solche Verschmutzungsabgabe würden sich Klimaschutzinvestitionen viel schneller rechnen. Dies bringe Planungssicherheit für Bürger und Unternehmen und sind daher unverzichtbar.
Dann stünde auch einem erfolgreichen Klimaschutz nichts mehr im Wege.

Fotos und Text, R. Kostrewa Stiftung ÖKOWATT