„E-Fuels, Wasserstoff oder Elektroauto – Was ist der Antrieb der Zukunft?“
Vortrag der ÖKOWATT Stiftung Nürtingen mit Prof. Dr. Maximilian Fichtner, Helmholtz-Institut Ulm (HIU) am Do 21.11.24 , im K3N, Nürtingen.

 

Bericht:

Klimaschutz, dieses Thema ist in Folge der aktuellen Großkrisen nach hinten gerutscht. Aber dann das: Zum Vortrag der Nürtinger Stiftung Ökowatt mit dem Titel „E-Fuels, Wasserstoff oder Elektroauto – Was ist der Antrieb der Zukunft?“ strömten die Leute. Der Panoramasaal im K3N war weit über den letzten Platz belegt, die Zuhörer reihten sich auf der umlaufenden Fensterbank, als Professor Maximilian Fichtner sprach, seines Zeichens Chemiker und Direktor des Ulmer Helmholtz-Instituts für Elektrochemische Energie-Speicherung. Nach den zwei Stunden Vortrag und Diskussion waren die Leute so begeistert, dass nicht viel gefehlt hat, und die Leute hätten stehend applaudiert.
Schon klar: Es ging im Kern um des Deutschen liebstes Spielzeug, das Auto. Und damit auch um das Schicksal von zigtausenden Arbeitsplätzen in der deutschen Industrie. Was Fichtner dabei an Erkenntnissen aus dem eigenen Labor mit brachte, aber eben auch aus seinem ständigen Austausch mit Forschern und Entwicklern in China, das muss alle alarmieren. Schon sind in China Autos auf den Straßen unterwegs, die eine Reichweite von über 1.000 Kilometer haben, 700 Kilometer in zehn Minuten nachgeladen können und weniger als ein Verbrenner kosten.
Fichtner hält sich öfter in Shanghai auf. Die Dunstglocke aus Smog von früher ist weg und es geht frappierend leise zu in der Stadt. Stromer röhren nicht. An fast jedem Parkplatz lässt sich das Ladekabel einstecken, das machen die Chinesen ganz nebenbei. So sieht die Zukunft aus. Und wer sie verschläft, der fährt halt hintendrein.
Dem Chemiker geht es um Fakten, um Ergebnisse bei der Befragung der Natur. Ganz ruhig spielt er eine Grafik nach der anderen auf die Leinwand auf. Nur einmal spricht er halb zu sich, halb zu den Zuhörern, er wolle sich ja nicht schon wieder aufregen. Aber da ist dieses eine Wort von der „Technologieoffenheit“, an dem wir Deutschen unseren Glauben festmachen, es könne noch gut werden. Nein: Auch wenn Porsche in Süd-Südamerika E-Fuel hochskalieren sollte auf eine Riesenfabrikgröße, es ist doch nur ein Schnapsglas im Vergleich zum Weltverbrauch von Sprit. Eine Schnapsidee.
Sein Fazit: Batteriefahrzeuge weisen geringste Treibhausgas-Emissionen, beste Energieeffizienz und geringste Kosten auf. In Ulm forschen sie an Batterien, zum Beispiel die Natrium-Ionenbatterie, die frei von kritischen Rohstoffen wie Nickel, Kobalt oder Lithium sind. Perspektivisch seien Reichweiten von 1.900 Kilometer pro Ladung drin.
Deshalb hat er nur sanftes Kopfschütteln übrig für die Kürzung der Gelder für die Batterieforschung ab 2025 durch die FDP-geführten Ministerien für Forschung und Finanzen im September 2024. Reine Ideologie? Fichtner wollte ja ruhig bleiben: Er weiß, was sich am Markt durchsetzen wird. Ganz selbstverständlich.

Im Anschluß war noch die Möglichkeit für Fragen. Es wurden noch weitere Perspektiven erörtert zu Antrieben von Flugzeugen und Schiffen und nach Prof. Fichtners aktuellen Forschungsgebieten wurde auch gefragt. Die Fragerunde wurde von Otmar Braune moderiert. Die Möglichkeit zum Austausch gab es für die Besucherinnen und Besucher nach dem Vortrag noch bei Getränken.

Der Inhalt des Vortrags ist auch auf youtube zu finden.
www.youtube.com/watch?v=XaQ-IWgjIM0

Zudem produziert das HIU auch neueste Forschungen in einer Podcast-Reihe zum Thema „Geladen – der Batteriepodcast“.

Nürtingen K3N Panoramasaal Vortrag Prof. Dr. Fichtner

Im K3N Nürtingen 21.11.24, Vortrag Prof. Dr. Fichtner
Foto: oekowatt

Prof. Dr. Fichtner - mitte im K3N Nürtingen

von links: Kai Damitz, Prof. Dr. Maximilian Fichtner, Otmar Braune, ÖKOWATT Stiftung Nürtingen
Foto: Haasis, oekowatt

Interview der Nürtinger Zeitung, veröffentlicht am 15.11.24 in der Ntz.

Herr Professor Fichtner, sie halten auf Einladung der Stiftung ÖKOWATT am Donnerstag, 21.November im K3N einen Vortrag zum Thema „E-Fuels, Wasserstoff oder Elektroauto – Was ist der Antrieb der Zukunft?“ Worum soll es bei ihrem Vortrag gehen?
Es geht um die Frage, welche Alternativen zum Verbrennungsmotor klimawirksam, sparsam – und realistisch sind. Da gibt es große Unterschiede zwischen den drei Optionen.

Wie sind sie nach Ulm zur Batterieforschung gekommen?
Ich habe zunächst 4 Jahre lang mit meiner Arbeitsgruppe auf der Entwicklung von künstlichen Kraftstoffen gearbeitet. Danach habe ich das Fach gewechselt und eine größere Arbeitsgruppe im Bereich Wasserstofftechnologie geleitet. In diesen 12 Jahren war ich Vertreter Deutschlands bei der Internationalen Energieagentur in Sachen Wasserstoff und Chairman der größten Wasserstoffspeicherkonferenz. 2013 bin ich dann einem Ruf der Universität Ulm gefolgt der mit einer Abteilungsleitung am Helmholtz-Institut Ulm verknüpft war. Seit 2018 bin ich geschäftsführender Direktor des Instituts in dem sich 190 Forscherinnen und Forscher mit der Entwicklung neuer Speicherverfahren befassen.

Der Einbruch der Verkaufszahlen für Elektroautos in Deutschland zeigt, dass viele Autokäufer verunsichert sind. Was sind aus ihrer Sicht die Gründe für die deutsche Skepsis gegenüber der Elektromobilität?
Verunsicherung. Im Gegensatz zu den anderen Ländern, in denen es (bis auf Italien) zweistellige Zuwachsraten gibt, gab es in Deutschland ein Dauerfeuer gegen die Elektromobilität und es wurden Reichweitenängste geschürt, die Haltbarkeit in Frage gestellt und Märchen über die Sicherheit verbreitet. Gleichzeitig hat man das Thema E-Fuels ausgegraben und die Illusion verbreitet, wir könnten in absehbarer Zeit mit Treibstoffen fahren, die ähnlich umweltfreundlich sind wie der reine Elektroantrieb. Das ist eine Illusion, aber die Leute glauben das und warten deshalb erst einmal ab. Generell ist festzustellen, dass die Elektromobilität in den allermeisten Ländern begrüßt wird, da man dadurch die Möglichkeit hat, die Städte sauber zu bekommen, Abhängigkeiten von den Ölstaaten mit ihren Potentaten zu lösen, Energie zu verwenden, die man im eigenen Land erzeugt und neue Industrien z.B. im Zulieferbereich aufzubauen. In Deutschland gibt es dagegen viele Vorbehalte, da man Angst hat, die bisherige Führung der unserer Automobilfirmen, die auf Verbrennungsmotoren beruhte, zu verlieren. Doch dieses Thema ist bereits Geschichte. Der nach Verkaufszahlen größte Automobilhersteller weltweit ist die Firma BYD – und die verkauft Elektroautos. Während BYD gerade 200.000 neue Mitarbeiter einstellt, melden Firmen wie Audi einen Gewinnrückgang von 90%.
Ein Einwand gegen Elektroautos ist der Hinweis, dass die Herstellung der Batterie alles andere als umweltfreundlich sei. Gilt dieses Argument noch immer?
Der früher oft kritisierte „Fußabdruck“ der Batterie ist seit 2000 um etwa die Hälfte bis 2/3 gesunken, und er schrumpft weiter. Materialien wie Kobalt und Nickel kommen bei den großen Herstellern nur noch selten zum Einsatz. Die deutsche Autoindustrie ist führend bei der Herstellung von Verbrennungsmotoren. Könnten diese nicht auch mit Wasserstoff oder sogenannten E-Fuels betrieben werden? Wenn Sie bei einem Wasserstoff-Verbrenner mit einer Reichweite von 150 km zufrieden sind und mit Fahrtkosten von 35 EUR/100 km, dann können sie das machen. Ich glaube aber nicht, dass sich das durchsetzt. E-Fuels könnte man fahren – wenn es sie gäbe. Die bis 2035 anvisierten und mit Investitionen abgesicherten Projekte könnten etwa 1/100.000 (Ein Hunderttausendstel) der gegenwärtigen Ölproduktion ersetzen.

Wie gut ist die Batterieforschung in Deutschland im Vergleich zu China aufgestellt?
Sehr gut. Wir haben viele Anfragen von Studenten, die hier gerne ihre Ausbildung machen würden. Was sich im Hintertreffen befindet, ist unsere Industrie. Anstatt das neue Thema mit all ihrer Kraft anzugehen, wurde jahrelang gezögert, zerredet, gebremst und mit Häme Desinformation verbreitet. Die Quittung bekommen wir gerade präsentiert. Im größten PKW Markt China gelten die deutschen Modelle als altbacken und technisch nicht auf der Höhe. Dort kann man bereits einheimische Fahrzeuge kaufen mit 1000 km Reichweite, bei denen man 700 km Reichweite in 10 Minuten draufladen kann, und das alles ohne Kobalt etc. Die Firma Geely gibt bei ihrem neuen Modell eine Garantie, dass die Batteriekapazität während der ersten Million Kilometer Laufleistung nicht abbaut. Außerdem brennen die Batterien nicht mehr, wenn sie mechanisch zerstört werden.

An sonnigen Tagen im Sommer liefern die Solarstromanlagen inzwischen auch in Nürtingen stundenweise mehr Strom als aktuell gebraucht wird. Wie weit ist die Forschung in Bezug auf große, kostengünstige Stromspeicher, die den überschüssigen Strom vom Tag in die Nacht speichern könnten?
Die Kosten für Batteriespeicher sind in den letzten 10 Jahren um 90% gesunken. Diese Woche kam die Meldung der Bundesnetzagentur, dass in Deutschland Speicherprojekte im Umfang von 160 Gigawatt Stromleistung (entspricht 160 Kernkraftwerken) genehmigt werden wollen. Das ist gigantisch.

Das Interview führte Uwe Gottwald, Ntz

Dr Maximilian Fichtner vor einer Industrieanlage

Foto: Prof. Dr. Maximilian Fichnter, c  HIU, Helmholtz Institut Ulm